SONDERGALERIE AMATEURFOTOGRAF HANS NOVACZEK | |||
Auf den Spuren des Gebirgskrieges 1915-1918 | |||
Flüchtlingslager Mitterndorf | |||
KURZE GESCHICHTLICHE
ZUSAMMENFASSUNG Im Zuge meiner hobbymäßigen Erkundungen der österreichisch-ungarischen Kriegsgefangenenlager stieß ich auch auf das „Flüchtlingslager“ Mitterndorf (1914-1919). Nachdem die Situation an der Ostfront in Galizien durch den Vorstoß Russischer Truppen – nicht zuletzt verursacht durch Verrat von Aufmarschplänen durch Oberst Redl – angespannt war, und Teile der dort ansässigen Bevölkerung ihre Heimat verlassen mussten, wurden Flüchtlingslager im Kernland der Monarchie eingerichtet. Eines davon befand sich in Mitterndorf an der Fischa. Mit Kriegseintritt Italiens 1915 wurde auch das Trentin zum verlorenen Gebiet. Da es im Südwesten des Vielvölkerstaates Österreich-Ungarn auch eine namhafte Zahl an Angehörigen zur italienischen Volksgruppe gab, wollte man diese aus dem umkämpften Grenzgebiet weg haben, da man Kollaboration mit dem Königreich Italien befürchtete. So wurde das Lager Mitterndorf in gewissem Sinne auch zu einem Internierungslager für die Italienischen „Flüchtlinge“. Im Unterschied zu den Kriegsgefangenenlagern gab es in Mitterndorf neben der umfangreichen Infrastruktur auch Schulen, Kindergärten und ein Waisenhaus. |
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LEGENDE 1 ... Haupteingang, Herrenhaus 2 ... Lagerstraße 3 ... Verwaltungsgruppe 4 ... Spitalgruppe 5 ... Schulen 6 ... Volkshalle 7 ... Kaserne 8 ... Kindergarten 9 ... Waisenhaus |
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Ursprünglich war 1914 für
die Unterbringung von Flüchtlingen das Areal der damals schon leer stehenden
Teppichfabrik gedacht, doch wurde 1915 mit dem Bau der Baracken des Lagers I
für die Italienischen Südtiroler begonnen. Vom Bahnhof der
Südbahngesellschaft Mitterndorf-Moosbrunn führte ab 1916 eine Feldbahn ins
Lager. 1916 wird mit dem Bau des Lagers II begonnen, da in Mitterndorf inzwischen zirka 12.000 Personen untergebracht sind. und mit weiteren Flüchtlingen aus dem Raum Lemberg gerechnet wurde. Das Lager umfasste bis 1918 zirka 675.000m² mit 441 Gebäuden. Nach Kriegsende wird auch das Lager Mitterndorf von Italienischen Soldaten „in Besitz genommen“, angeblich um die sich dort noch befindlichen Bewohner zu beschützen. Ab Februar 1919 wird das Lager demobilisiert. |
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LAGERFRIEDHOF UND GEDENKSTÄTTE Wie bei den anderen Lagern, blieb bis heute nur das Areal des Friedhofes (zirka 1900 Verstorbene) als Gedenkstätte erhalten. Dazu erinnern die Straßennamen „Trentinostraße“ (im Gedenken an die Italienische Volksgruppe des Trentin), die „Doktor-Moreno-Straße“ (Jacob Levy Moreno arbeitete als Arzt im Lager Mitterndorf) und die „Lagerstraße“ an diese historische Örtlichkeit in Mitterndorf an der Fischa. Ebenso sind einige 1914 bereits bestehende Gebäude auch heute noch vorhanden (siehe Fotorundgang). |
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SCHAUTAFEL Am Platz vor der ehemaligen Teppichfabrik ist an der Lagerstraße eine Schautafel aufgestellt, die uns einige historische Ansichten des Lagers zeigt. Die Texte zu den Bildern der Schautafel (hier nachfolgend zitiert) stammen von A. Krizsanits © 2013. |
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BILD 1 Diese Ansichtskarte zeigt den Eingangsbereich zum Barackenlager am linken bzw. nordöstlichen Ufer der Fischa. Im Hintergrund hat sich eine Abordnung der Lagerwache vor dem Wachlokal des "k.k.Militärdetachements" formiert. Auf der linken Seite der Ansicht setzen sich die Unterkünfte der Wachmannschaft fort. Am rechten Bildrand ist das "Herrenhaus" des Philipp Haas (1791-1870) von 1862 zu erkennen. Es war in das Barackenlager als Beamtenwohnhaus integriert. |
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BILD 2 Eine sehr frühe Ansicht liegt uns hier vor. Das Waisenhaus ist noch in Bau und von den "kurzen" Flüchtlingswohnbaracken des Lagers II ist noch keine einzige zu sehen. Auch die Schuhfabrik ist noch nicht erbaut. Es wird demnach April/Mai 1916 sein. Gut zu erkennen sind im Vordergrund das Dach der ehemaligen "Baumwollspinnfabrik" (erbaut 1862), die als "Flüchtlingswohnheim" für die Aufnahme der ersten Flüchtlinge 1914 und 1915 diente, der "Rote Stadel" (späterer Teil der Schuhfabrik) der Hoftrakt (1862 erbaut) (beherbergte Beamtenwohnungen, Wachbaracken, Gendarmerie und Magazine). |
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BILD 3 Unser Blick schweift über das Lager II mit seinen 190 kurzen Flüchtlingswohnbaracken mit jeweils 6 Zimmern. Im Gegensatz zu den im Vordergrund sichtbaren Gebäuden (Waisenhaus, Kindergarten, "Russenkaserne", Baumaterialmagazin und Dampfwäscherei) dürften die Wohnbaracken, lt. Quellenangaben mit wenigen Ausnahmen (122 Polen im Dezember 1916), nur kurz mit Leben erfüllt worden sein (vgl. dazu u.a. das Schreiben des Lagerleiters Baron Viktor von Imhof vom 19. Juli 1917 an das NÖ. Statthalterei-Präsidium, in dem "die Belegung des Reservelagers gefordert" wird). |
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BILD 4 Am 14. Juni 1917 berichtet Baronin Helene von Beck vom "Hilfskomitee für die Flüchtlinge aus dem Süden" dem k.k. NÖ. Statthalterei-Präsidium von ihrem unangesagten Besuch des Barackenlagers, wo sie mit dem Lagerkommandanten Baron Viktor von Imhof die Küchen "einer genauen Inspektion" unterzog. Dabei deckt sie allerhand Missstände auf, unter anderem auch diesen, dass "die gefangenen Russen erwiesenermaßen die doppelte Portion Zucker" bekamen als die anderen Lagerinsassen. Ansonsten werde alles recht gut zubereitet, "aber nicht nach dem Geschmack der Leute". |
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BILD 5 Auf der gegenwärtigen Ansicht streift der Blick (von rechts nach links) über die Kirche, die Feuerwehr und die Schule mit ihren 22 Lehrzimmern zu je 54 Plätzen. 1188 Schüler konnten demnach gleichzeitig unterrichtet werden. Links im Bild (von unten nach oben) die Evidenzkanzlei, das Postamt und die Barackenverwaltung. |
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BILD 6 Diese ansprechende Aufnahme des Lagerzentrums (vom Dach des Schneidereigebäudes, von Südwesten her gesehen) darf uns nicht darüber hinwegtäuschen, dass sich hinter der schönen Fassade viele menschliche Tragödien abspielten. Tatsächlich starben z.B. allein im Zeitraum 1. Juni 1915 bis 11. Februar 1916 nicht weniger als 377 Kinder im Alter von 0 bis 10 Jahren, in der Hauptsache an Masern. Seit März "wütete" eine Bauchtyphus-Epidemie mit ca. 370 Erkrankten. Die Ansichtskarte zeigt (von links nach rechts) die Barackenverwaltung, die Schule, das Postamt, die Kirche, die Evidenzkanzlei und oben rechts im Hintergrund die Volkshalle. |
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Fotorundgang 29. SEPTEMBER 2016 |
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Der ehemalige Haupteingang des Lagers (1). Das Herrenhaus/Beamtenwohnhaus am Foto rechts und das weiße Gebäude im Hintergrund sind auch auf der historischen Ansicht zu erkennen (Schautafel, Bild 1). Das heute noch existierende Gebäude des damaligen Waisenhauses (9). Die
ebenerdigen Wohnhäuser im Hoftrakt (13) verbergen sich heute hinter dichtem Gestrüpp Ehemaliges Herrenhaus neben der Teppichfabrik Der rote Stadel (12)... In der heute noch breiten Lagerstraße (2) sind die Wohnbaracken kleinen Einfamilienhäusern mit Garten gewichen: |
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BAHNHOF MITTERNDORF-MOOSBRUNN Da seit einigen Jahren hier keine Personenzüge mehr halten, zeigt sich der Bahnhof in der herbstlichen Nachmittagssonne verträumt wie vor 100 Jahren... |
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LAGERFRIEDHOF Vom Friedhof selbst blieb nur eine mit Gras bewachsene Parkfläche, doch weisen ein modernes Denkmal, ein Holzkreuz und eine Skulptur auf diesen historischen Ort hin. Auch von einigen italienischen Gemeinden angebrachte Gedenktafeln erinnern an die damals hier internierten Italiener.
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